In England und Schottland erkunden Vikar:innen zukunftsweisende kirchliche Projekte. Ihre Blogbeiträge geben Einblick in die sich verändernde Kirchenlandschaft und bieten Inspiration für die eigene Gemeindearbeit.

Jährlich begeben sich die Vikar:innen gegen Ende ihrer Ausbildung auf eine inspirierende Reise nach England und Schottland, um innovative kirchliche Orte zu erkunden und Pionier:innen zu treffen. Die Reise ist Teil der Ausbildung Gemeindeentwicklung und soll das Bewusstsein für die sich rasch verändernde kirchliche Landschaft schärfen. Als Leistungsnachweises verfassen die Vikar:innen u.a. jeweils einen Blogbeitrags, der ihre Eindrücke von der Reise widerspiegelt und als Reflexion über das Gelernte dient. In dieser Sommer-Serie erhalten Sie 9 spannende Einblicke von Vikar:innen (die zwischenzeitlich bereits im Pfarramt sind). Insights, die auch für die eigene Arbeit in der Kirchgemeinde inspirieren können.

 

Sommer-Serie 9/9

Erst hören, dann handeln  

von Samuel Danner

Auf der Studienreise sind wir vielen verschiedenen Menschen begegnet, die alle auf ihre Art und Weise etwas zur Erneuerung der schottischen oder englischen Kirche beitragen. In London besuchten wir die Blackfriars Bridge Community, eine kleine anglikanische Kirchgemeinde mit einem einen starken Fokus auf Meditation und Kontemplation. Reverend Ian Mobsby ist seit ein paar Jahren daran, diese Gemeinde aufzubauen, in enger Zusammenarbeit mit den Menschen, die dort im Quartier leben.

In Glasgow durften wir die Kunst von Heidi und Peter Gardner bewundern. Peter Gardner ist nicht nur Künstler, sondern auch Pfarrer und Seelsorger für die «Visual Arts Community» in Glasgow.

In Edinburgh berichtete uns Leslie Hamilton-Messer von ganz vielen neuen «Worship Communities», die in der Church of Scotland am Entstehen sind.

Hinhören auf Menschen und ihre Bedürfnisse

Was ist aber der gemeinsame Nenner all dieser Begegnungen? Mir ist besonders ein Punkt aufgefallen, der immer wieder aufgetaucht ist. Ich gebe ihn hier so wieder, wie ich ihn mir beim Vortrag von John Chalmers notiert habe: «Wir müssen lernen, auf Gott, Menschen und auch auf uns selbst zu hören.»

Zentral für alle diese Projekte ist das genaue Hinhören auf Menschen und ihre Bedürfnisse. Die Kunstinstallationen von Heidi und Peter Gardner sind bewusst partizipativ angelegt. Sie wollen mit den Menschen vor Ort in Kontakt treten und genau hinhören, was diese Menschen zu sagen haben.

Am Anfang der Blackfriars Bridge Community stand eine intensive «listening excercise»: ein gezieltes Hinhören auf die Menschen im Quartier und ihre Bedürfnisse. Dies geschah mit Hilfe einer professionell geführten Umfrage bei den Bewohnern des Quartiers, aber auch mit Fokusgruppen von Menschen, die hier arbeiteten. Erst aufgrund der Umfrage kamen Ian Mobsby und sein Team zum Schluss, dass Mental Wellbeing ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sein würde und dass die stille Meditation ein zentrales Element im Gottesdienst sein soll. Mit dieser Ausrichtung gelingt es der Blackfriars Bridge Community, auch Menschen zu integrieren, die sonst mit der Kirche nichts am Hut haben.

Das sind nur zwei Beispiele. Sie sind aber repräsentativ für fast alle Begegnungen auf der Studienreise: Erst kommt das Zuhören, dann das Handeln. Diese Beobachtung nehme ich von der Studienreise mit nach Hause und ich habe mir vorgenommen, dies auch in meiner zukünftigen Gemeindearbeit umzusetzen. Ich möchte diese «Listening Exercise» so systematisch wie möglich auch in meiner zukünftigen Gemeindearbeit anwenden.

In der Kurswoche «Team, Kooperation und Konflikt» haben wir eine Methode kennengelernt, die mir dafür besonders geeignet scheint: Appreciative Inquiry (AI). In der AI geht es darum, Fragen zu stellen und hinzuhören, und den Blick besonders auf das zu richten, was in der Gemeinde gut funktioniert. Eine Frage könne wie folgt lauten: «Wann haben sie sich in der Kirchgemeinde besonders lebendig gefühlt?». AI richtet den Blick aber auch auf die Zukunft der Gemeinde: Was könnte noch sein und welche Wünsche sind vorhanden. Die Grundhaltung dahinter ist die Annahme, dass Kirchgemeinden ein ungeahntes Potential haben, das wir gemeinsam entdecken können.